Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 11
In den beiden Jahren 1992 und ‘93 hat Klaus Schulze ‘ne Menge Musik aufgenommen, die nicht für die übliche Veröffentlichung auf CD vorgesehen war; einiges davon war aus Aufträgen für Filmmusiken entstanden, anderes “einfach so” gespielt, meist, wie bei KS üblich, die ganze Nacht hindurch. Wie so oft, hat er mir alles peu à peu auf zig DAT-Kassetten zugeschickt. Für mein Archiv, oder wie wir untereinander gerne sagen: auf Halde.
Ich hatte dann eine Idee und besprach die mit Klaus: wie wär’s wenn wir einen Set mit der unveröffentlichten neuen Musik machen, vielleicht mit fünf CDs? …da er zurzeit gerade keine vertragliche Bindung an ein Label hatte, würde das prima gehen. Klaus, schon immer gerne das Maximum fordernd (um dann zumindest das zu bekommen, was möglich und immer noch toll ist), meinte: wennschondennschon ZEHN CDs. Toll! Ich begann also, zehn CDs zusammenzustellen. Aus dem Schatz der aktuellen unveröffentlichten Aufnahmen formte ich zehn Titel zwischen 20 und 78 Minuten und packte noch fünf Titel mit Konzertaufnahmen aus den siebziger Jahren dazu, voilà: ich hatte zehn CDs mit jeweils über 70 Minuten. (Ganz so fix wie man’s hier liest, ging’s natürlich nicht. Ich erinnere stunden-ja tagelange Abhörsitzungen, immer wieder Titel vergleichend, ratend, wo’s herkommt, wann das war, ob’s nicht bereits veröffentlicht ist…).
Natürlich wusste ich nicht, ob es für solch ein dickes Set mit unveröffentlichter und gar alter Musik einen Markt gab, ob und wie viele Schulze-Fans bereit sind, für einen 10-CD-Set knapp 200 Mark auszugeben. Auch waren unsere Vorkosten immens! Ich machte also eine Subskription. Alle, die den (von mir penibel beschriebenen) Set vorab bestellten und auch bezahlten(!), erhielten einen Rabatt und nach Erscheinen erhalten sie ihr Set signiert und nummeriert; wer zuerst bestellte, erhielt eine niedrige Nummer. Und es funktionierte: Wir bekamen tatsächlich genügend zahlende Subskribenten und konnten loslegen, weil wir nun die Rechnungen für Mastering, Druckvorlagen, Drucker, Presswerk, Verpackung, Versand, etc. begleichen konnten.
Dieses erste Set mit zehn CDs, SILVER EDITION, wurde am 4. November 1993 veröffentlicht. Die Reaktionen kamen prompt und waren überwältigend, positiv natürlich. Nach etwa einem Jahr hatten wir die Auflage von 2000 Sets verkauft. Den Titel “Silver” hatte ich bewusst gewählt, denn da war die Idee im Hinterkopf, dass vielleicht (vielleicht! denn der Erfolg stand ja keineswegs fest) noch andere Sets folgen würden. In der Tat, wegen des riesigen Erfolges der Silver Edition machte ich zwei Jahre danach den zweiten Klaus Schulze-Set, der diesmal ausschließlich unveröffentlichte historische Konzert-und Studioaufnahmen aus meinem Archiv enthielt und den ich deshalb HISTORIC EDITION (und nicht die Steigerung von Silver: Gold) nannte.
Ich hab vergessen, wie wir damals unsere möglichen “Kunden” erreichten, wahrscheinlich schickte ich eine Mitteilung an all die Fans, die in uns in den letzten Jahren nett geschrieben hatten und deren Post ich natürlich sammelte. Es war ja noch die Zeit vor dem “The KS Circle” und, ach wär’ das heute so viel einfacher: auch die offizielle KS-Website gab’s zurzeit von Silver wie von Historic Edition noch nicht (sondern erst ab 20. August 1996).
Solch eine einmalige Auflage kann man nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten nachpressen und nachdrucken lassen. Da wir sowieso einige Mühe damit hatten, die jeweils letzten etwa 100 Exemplare an den Mann zu bringen (in der Tat, noch immer gab und gibt es keine Frauen unter den Fans), verzichteten wir auf eine Nachauflage. Kein Buchverlag und keine Plattenfirma kann wegen einer Handvoll Nachzügler in zig Folgejahren ein riesiges Lager mit allen Produkten unterhalten. Tja, heute… heute sind diese alten Sets Sammlerstücke und werden hoch gehandelt, falls überhaupt mal ein Fan seinen Set abgeben will. Weshalb sollte er? Aber es gibt ja eine tolle Plattenfirma, die nun all diese Titel wieder in Dreier-Sets wiederveröffentlicht.
Wiederum zwei Jahre später, 1997, stellte ich ein drittes Set zusammen, diesmal mit 25 CDs und einem 84seitigen Booklet. Klaus Schulze und auch ich, wir lieben es, Dinge zu tun, die vorher noch nie einer getan oder gewagt (oder auch nur daran gedacht) hat. Allerdings hatte ich als jahrzehntelanger Sammler alter Jazz-Platten ein wenig Erfahrung mit solch’ Multi-LP (oder -CD) Sets. Nun, weit über ein Jahrzehnt nach unserer gewagten Idee mit den prallen Sets, gibt’s das auch abseits von Jazzsammlerkreisen, in der Popmusik, und, ja, tatsächlich, auch in der Elektronischen Musik. Aber die führt ja auch nicht mehr das Nischenleben wie noch zu Zeiten als wir anfingen, genauer: als KS diese Idee hatte, sich hinzusetzen und alleine “diese” Musik zu spielen und zu konservieren. Mein Dank ist ihm gewiss.
Klaus D. Mueller, Mai 2009
Disc 1:
Die vier Teile der “Film-Musik” enthalten die komplette Musik für den Soundtrack zu der 1993 gedrehten deutschen TV-Dokumentation “Spurensicherung. Baudenkmäler”.
DISC 2:
Klaus nannte das 71-Minuten-Stück “Narren des Schicksals” seine erste Sinfonie.
Es wurde 1992 / ’93 aufgezeichnet.
DISC 3:
Track 1, “Der Schönheit Spur”, ist die längere Version einer Musik, die Klaus 1993 aufgezeichnet als Soundtrack für einen Film über den Potsdamer Platz in Berlin aufgenommen hat.
Der letzte Track (“Return in Happy Plight”) ist die Remix-Version, die eigentlich für den Film nicht verwendet wurde.
“Ein schönes Autodafé” wurde 1993 für die Oper „Totentag“ aufgezeichnet, aber nicht verwendet.
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