• CD
  • Date : 09.12.2011
  • Package : CD Digipack
  • Running Time CD : 46:52

Karthago – Second Step

Die Geschichte um und zu KARTHAGO – „Second Step“

Es war viel passiert bei KARTHAGO, in der Szene und in Berlin, in der Zeit zwischen der Veröffentlichung von „Karthago 1“ und der Produktion von „Karthago 2“.
Alle waren auf der Suche und haben gelernt Fahrten über die Transitautobahn wurden fast zur Routine, musikbegeisterte Landkommunen wurden zu logistischen Dreh- und Angelpunkten um mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Bei endlosen Gesprächsrunden diskutierte man über Musik, Auftritte, Plattenfirmen, Freiheit, Gesellschaft, und alternative Lebensformen. Oft wurde ganz spontan zu jeder Tages- oder Nachtzeit gejammt.
Die Konzerte waren überall.
 
Man lernte Deutschland (West) kennen und hatte die ersten Auftritte in den Nachbarländern. Es war ein wenig wie Weltentdecken, egal wohin es einen verschlug.
Das musikalische Wissen wuchs, Instrumente und Markentypen wurden zu einem Glaubensbekenntnis der eigenen Kreativität und individuellen Ausdruckskraft, wenn es dadurch gelang, womöglich einen trendy Sound der Topstars nachzumachen oder etwas noch nie Gehörtes zu kreieren.
Die Ansprüche stiegen, nicht nur hinsichtlich des benutzten Equipments, auch die Einstellung der Musiker veränderte sich in dieser Zeit. Man begriff auf einmal, dass nur derjenige einmal gut verdienen würde, der auch als Autor an Songs auf der Schallplatte beteiligt war, und so begannen auch die einzelnen Musiker von KARTHAGO eigene Titel zu schreiben und mit unterschiedlichen Textern zu arbeiten.
Die endlos langen Fahrten schweißten den reisenden „Achterclub“ je nach Erfolgs- und Stimmungslage aller oder der einzelnen Individuen mal mehr zusammen oder produzierten Spannung und Krach.
Der ‚Rock `n´ Roll’ forderte so auch bald auch sein erstes personelles Opfer. Der Schlagzeuger Wolfgang Brock kam schließlich mit den Umständen nicht mehr richtig klar und verließ die Band.
 
Norbert „Panzer“ Lehmann wurde sein Nachfolger.
Sensationell eigentlich für die damalige Zeit das Promotionfoto von C+M Hudalla mit beiden Schlagzeugern – Wolfgang auf dem Absprung und Panzer schon in der Band.
Jeder war damals neugierig mit anderen Musikern zu jammen, und Mund zu Mund-Propaganda schuf damals sogenannte Geheimtipps der Szene.
Joey Albrecht war schon eine Berliner Berühmtheit mit dem jeder einmal gerne gejammt hätte, und Panzer Norbert Lehmann war ein aufstrebendes Drummer-Talent. Die in der progressiven Jazz-Szene bekannten Stephan Diez und Hans Hartmann hatten Panzer einmal die Nummer von Joey gegeben, und nach eine wahren Odyssee, kam es letztendlich zu einer ersten Jamsession in den legendären Proberäumen der Wrangelkaserne.
Obwohl von Beginn an musikalisch auf der gleichen Wellenlänge, sollte es noch einige Zeit dauern, bis Panzer, der zuvor mit den einzelnen Mitgliedern alleine gejammt hatte, schließlich mit der ganzen Band probte, wobei er alle mit seinem Spiel begeisterte.
Selbst Wolfgang Brock war nach eigener Aussage der Ansicht, Panzer würde wohl besser zur Band passen, und verließ kurz darauf auf eigenen Wunsch KARTHAGO.
Mit seiner, gegenüber dem Vorgänger, stilistisch unterschiedlichen Art zu trommeln und seiner Persönlichkeit trieb Panzer die Band gerade in den ersten gemeinsamen Monaten zu einem absoluten High Fly.
 
Bei Festivals sahen in der Publikumsresonanz alle anderen Bands nur noch die Rücklichter von KARTHAGO, so gigantisch war der Sound und die Energie, die die Musiker auf die Bühne brachten.
Das erklärte Ziel eine neue LP pro Jahr, gestaltete sich auf Grund der im Musikgeschäft üblichen Querelen mit Management, Produzenten und Plattenfirma dann doch schwieriger als gedacht, so dass man gemeinsam mit dem neuen Hudalla- Management fast 2 Jahre warten musste, bevor „SECOND STEP“ realisiert werden konnte. Dabei entstand auch ein bandinterner „Entstehungs- und Verteilungskampf“ um die Titel auf der LP, der aber für die Band auch einen weiteren Entwicklungsschritt in ihrer Geschichte bedeutete.
Es ist müßig darüber zu streiten, welches Album, ob „Karthago 1“ oder „SECOND STEP“ ‚deutschrockiger’ war, beide Alben eingespielt von einer Band, die sich immer eher am Angloamerikanischen Mainstream orientierte. KARTHAGO war ein Kind seiner Zeit, dessen Ursprung unverkennbar war, und gerade dadurch interessant für den Musikliebhaber wird.
Im Gegensatz zum ersten Album hatte man für „SECOND STEP“ eine sehr viel längere Vorbereitungszeit, was dem Produkt zu Gute kam. Als Produktionsort entschied man sich für Hamburg, dem damaligen Mekka der Szene, wo im Windrose Studio mit Thomas Kuckuck eine Legende als Toningenieur am Mischpult saß.
KARTHAGO war damals auch schon eine Musiker-Band und so war es nicht verwunderlich, dass sich während der Aufnahmen immer wieder eine illustre Ansammlung von Musikern befreundeter Bands im Studio einfand. So sangen zum Beispiel Inga Rumpf und Ringo Funk, ohne explizit erwähnt zu werden, backing vocals auf ‚Oberbaumbrücke’. Man hatte den Produktionsort, den Etat und auch den Produzenten gegenüber der
Plattenfirma durchsetzen können, ein Akt von Selbstverwirklichung in Zeiten, in denen man als Musiker froh sein konnte, wenn man einen Vorschuss erhielt, eine Lizenzabrechnung zu Gesicht bekam, und ganz zu schweigen von einer daraus resultierenden Überweisung.
 
TRACKS:
Der erste Titel, Pacemaker, lange Zeit die Konzerteröffnung der Band, ist eine technisch anspruchsvolle, furiose Instrumental Nummer und entstammt der „Tradition“ der Berliner Topmusiker die Fähigkeiten der Einzelnen beim Jammen eines schnellen Shuffle auszuloten und zu messen.
I Don`t Care, Arbeitstitel der Band, die 6/8tel Nummer, mit seinem Groove, den Breaks, dem weiten Stereo Panorama von Joeys Gitarre und Ingos rotziger Hammond M3, den Soli, pulsierendem Bass, Joeys Gesang und dem Backing-Chor mit Freya Wippich, erinnert stark an Joe Cocker auf „Mad Dogs“ und „Englishmen“, ist aber Made In Germany und total KARTHAGO. Ingos Orgelsound war sicherlich das Beste auf dem Gebiet der funky „Hammond Orgel“ in Deutschland. Selbst Jean Jaques Kravetz von Frumpy / Atlantis, hatte Schwierigkeiten mit Ingos Rhythmik auf dem Instrument mithalten zu können.
 
Don`t Send Me Your Money, Send Me Your Heart, ein weiterer, sehr musikalischer Song von Joey, textlich von T.M. Fabian umgesetzt, war eine super Gesangsleistung. Passend dazu Joeys Gitarrensound und Ingos Begleitung auf dem Fender Rhodes, mit einem zornig, dynamischen Fade Out, getragen von Geralds virtuosem Bassspiel, als instrumentalem Höhepunkt.
Wild River, ein weiterer Titel aus Joeys Feder, wird zu einem wilden Fluss swingender Instrumente. Ingo am Rhodes und der Hammond, Gerald im jazzigen Mittelteil mit gezupftem Kontrabass, alles getragen und getrieben von Panzers super Schlagzeugdrive. Unterschiedliche Gefühlswelten auf Wellen der Emotionalität, ausgedrückt durch unterschiedliche musikalische Stilmittel – eine musikalische Meisterleistung. Ein absolutes Klangerlebnis auch das subtile, einmalig Phasing der Hammond Orgel mit dem Lesley Speaker. Die, in ihrer Geschwindigkeit steuerbaren, rotierenden Hoch- und Tieftonlautsprecher in Kombination mit der Hammond produzieren auch heute noch einen einmaligen, unverkennbaren Sound, und Thomas Kuckuck war ein Meister seines Fachs dieses Klangerlebnis auch auf der zweidimensionalen Stereoebene virtuell dreidimensional klingen zu lassen.
 
Mit Crosswords and Intermissions, schuf Ingo Bischof als Komponist gemeinsam mit Lee Gates, der mit dem Musical Hair in Berlin hängengeblieben war, als Texter, seine erste Gesangsnummer auf einer Schallplatte. In langen Passagen konnte er nicht nur seine Virtuosität am Konzertflügel demonstrieren, sondern setzte auch zum ersten Mal den Mini Moog ein, sehr einfühlsam, melodisch und wohlklingend. Der ganze Titel fließt sehr harmonisch mit Sounds von Tommy mittels Percussion, die in dieser Form ebenfalls ihre Premiere feierten.
Ingos zweiter Albumsong Oberbaumbrücke, getragen von Orgel und Konzertflügel, ist wie ein musikalisches Video über das damalige Leben in der Frontstadt. Alle traf man da, die Hippies, die bekifft ins Bett wollten, Rocker mit Bierflaschen, Türken, Italiener Jugoslawen genauso wie die Bauarbeiter, die schon zur Arbeit gingen. Alles funktionierte eigentlich ganz gut, mit und ohne einander.
Tommy Goldschmidts Titel Lamento Juvenil, war für die Zeit einmalig auf der LP einer deutschen Rockband – so einmalig, dass das Extra Statement auf dem Albumcover mehr als gerechtfertigt erscheint. Ein Titel in Spanisch, ein vitaler Bossa Nova art- und stilgerecht mit viel Percussion.
Mit dem kürzesten Gesangstitel auf „SECOND STEP“, California Gigging feierte Gerald Hartwig sein Komponisten- und Gesangsdebut auf einem Tonträger. Der ganze Titel, groovy und sunny, wird getragen von einem Percussion-Teppich mit rhythmischen WahWah-Gitarren- und Clavinett–Sounds, ein Frage- und Antwortspiel zwischen Ingo und Tommy mittels Timbales und Clavinett zum Ausklang.
 
Zusätzlich zu den acht Originalstücken des Albums präsentiert diese CD als Bonustracks Johnny B.Goode (Chuck Berry) und – als B-Seite – eine von Albrecht überarbeitete Version des Klassikers Going Down von US-Sänger/Songschreiber Don Nix.
Beide Titel waren bei KARTHAGO-Konzerten häufig die Zugaben Tracks, und wurden ihrem Live-Charakter entsprechend sehr direkt produziert. Ganzer Stolz war die wirklich einmalige Version von Going Down, deren Albrecht-Überarbeitung und KARTHAGO-Präsentation selbst Musiker der Jeff Beck Band, die den gleichen Titel eingespielt hatten, restlos begeisterten.
Da „SECOND STEP“ kein singleträchtiges Material von ca. 3 Minuten Spieldauer enthielt, aber die Sendungen mit viel Publikumsreichweite angepeilt wurden, war Handlungsbedarf geboten. Deutsch wollte man nicht, eigene englische Titel wären nicht genommen worden, blieb also nur der Weg der Coverversion. Dies führte dann zumindest zu einem ersehnten Auftritt in der bundesdeutschen Fernsehsendung Disco 74 sowie Musikreport und Musik Today.
Sowohl der Musikexpress, als auch Popfoto wählten KARTHAGO zur vielversprechendsten Band des Jahres. Alle deutschsprachigen Musikzeitschriften, von der musikalisch kritischen Sounds, über Musikexpress und Pop, bis hin zu Popfoto und Bravo, waren von den Berlinern angetan, und „SECOND STEP“ verschaffte KARTHAGO schließlich den endgültigen Durchbruch in die allererste Reihe deutscher Bands.
 
Hatte KARTHAGO zuvor bereits in Österreich, der Schweiz, Holland, Belgien und Frankreich getourt, kam mit der Veröffentlichung von „SECOND STEP“ auch Skandinavien hinzu, wo man in Dänemark, Schweden und Finnland ebenfalls erfolgreiche Tourneen absolvierte
Mit dem Ausstieg von Gerald Hartwig und Panzer Lehmann endete die KARTHAGO-Ära „SECOND STEP“. Mit dem Einstieg von Drummer Konni Bommarius und Ex- Jethro Tull-Bassist Glenn Cornick begann dann die KARTHAGO-Ära „ROCK ’N‘ ROLL TESTAMENT“.
Auszüge aus einem Text von:
Cornelius Hudalla
Düsseldorf, November 2011
Produzent, Manager, Fotograf, Journalist


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Karthago


Live At The Roxy


Rock’n Roll Testament


Love Is A Cake


Player

Tracklisting:

Pacemaker 2:43
I Don't Care 5:45
Crosswords & Intermissions 6:43
Don't Send Me Your Money, Send Me Your Heart 5:14
Wild River 5:30
Lamento Juvenil(Start To Fight) 3:48
California Gigging 3:04
Oberbaum Bridge 7:38

Bonus-Tracks:
Johnny B. Goode
Going Down