Frankfurt Radio Big Band – Kriegel Today!
Seit einiger Zeit gibt es eine engagierte Initiative, die das Werk des Gitarristen, Autors und Illustrators Volker Kriegel (1943 – 2003) am Leben erhalten möchte. Gemeinsam mit der Firma MIG Music wurden von dieser Initiative, bestehend aus wahren Kriegel-Fans, bisher sechs Alben mit umfangreichem Material/Bonusmaterial aus dem Privatarchiv von Volker Kriegel veröffentlicht bzw. neu aufgelegt. Auch bisher unbekanntes Material – sorgfältig restauriert und neu gemastert – wurde so mit Unterstützung von Ev Kriegel (Ehefrau von Volker Kriegel) interessierten Hörern zugänglich gemacht. Mit großer Freude haben wir 2018 erfahren, dass die Frankfurter Radio-Bigband noch im selben Jahr mit zwei Hommage-Abenden im “hr-Sendesaal” in Frankfurt Kriegels Werk feiern wird: Das Jahr, in dem Volker Kriegel 75 Jahre alt geworden wäre. Diese beiden wunderbaren Konzerte fanden am 22. und 23. November 2018 statt. Ev Kriegel schlug eine Veröffentlichung auf CD vor, und mit dem Management der Bigband wurde bald eine Vereinbarung getroffen, das Beste der beiden Abende auf einem Album zu vereinen.
Eine Brücke von Kriegels Originalaufnahmen in die Gegenwart wurde erfolgreich gebaut. Die früheren Aufnahmen werden nun durch die heutige brillante Live-Interpretation von Jim McNeely und seiner viel größeren Besetzung als Bigband perfekt ergänzt. Und so wurde die Bedeutung von Kriegel als wesentlicher Wegbereiter des Jazz-Rocks auf sehr eindrucksvolle Weise demonstriert. Sehr passender Header hierzu: “Kriegel Today!”
Aber wie würde seine Musik heute nun wirklich klingen?
Jim McNeely, Leiter der Frankfurter Radio-Bigband, schuf für zwei Konzerte in Frankfurt höchst inspirierende Big Band-Arrangements und zeigte, dass Kriegels Musik, die vor gut vierzig Jahren komponiert wurde, auch heute noch fesselnd ist und es sich definitiv lohnt, sie für ein großes Jazz-Orchester zu arrangieren. Diese Musik – eine Auswahl von immens variierenden Stücken aus den frühen 1970-er Jahren – war trotz ihrer Komplexität sehr populär, raffiniert und eingängig zugleich, am Puls der Zeit und doch selbstbewusst im Einklang mit seinen eigenen Soundvorstellungen. Und dabei immer auf dem soliden Boden der Harmonien.
Um dem gerecht zu werden, teilte Jim McNeely die höchst eigenwillige Kunst des Komponisten/Gitarristen auf drei Gitarrenvirtuosen auf, um somit das breite Spektrum dieser Klangwelt angemessen hörbar zu machen und auch um den direkten Vergleich mit nur einem Solisten zu vermeiden: Es sind der hr-Bigband-Gitarrist Martin Scales, John Schröder aus Frankfurt, Schlagzeuger und Gitarrist in verschiedenen internationalen Formationen, und schließlich der niederländische Thelonious Monk-Preisträger Jesse van Ruller.
In der Musik war Kriegel nie ein Dogmatiker. Fusion, das Zauberwort jener Zeit, könnte fast von ihm geprägt worden sein. Doch heute würde ihn der inflationäre Trend der aktuellen Jazz-Rock-Melange wahrscheinlich eher abschrecken. Aber die Alben “Spectrum”, Inside: “,Missing Link”, “Lift!” und “Mild Maniac”, die McNeely für sein Programm herangezogen hat, sprudeln noch immer vor Novität, man spürt das Abenteuer, das sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Klangwelten ergibt, und die Freude an der kreativen Auseinandersetzung. Eine gute Idee also, John Schröder zu engagieren, einen Hochgeschwindigkeitsgitarristen wie einst John McLaughlin, der keine Pausen kennt und mit einer fantastischen Virtuosität und harmonischen Flexibilität offensichtlich jede ausdrucksstarke Phrase durch eine noch ausdrucksvollere jagen will. Martin Scales wiederum, der viele Stile des Jazz bis hin zur Rockmusik beherrscht, neigt in seiner Ausrichtung eher zum Blues und einem überschwänglichen, Jimi Hendrix-orientierten Klang. Und Jesse van Ruller hat die Gelassenheit und Leichtigkeit eines Jim Hall, die es ihm erlaubt, Balladen mit einer wunderbar lyrischen Komponente zu versehen. Zusammen mit der Bläsergruppe der Big Band feuern die Gitarristen so immer wieder ihre rhythmisch-melodischen Parallelphrasen in einem wahnsinnigen Tempo ab, so dass es dem Zuhörer fast den Atem raubt. Aber auch die Solisten der hr-Bigband, allen voran die Saxophonisten Tony Lakatos, Heinz-Dieter Sauerborn und Steffen Weber, der Bassist Hans Glawischnig und der Schlagzeuger Jean-Paul Höchstädter, setzen mit unerschütterlichem Timing und sinnlicher Klangfülle ihre Kontrapunkte zum Gesamtkonzept. Hätte Kriegel es hören können, wäre ihm vielleicht nur ein Wort in den Sinn gekommen: Magie!
Tracklist:
- Lift 07:44
- A Piece With A Chord From A Yorkshire Terrier 09:04
- Morandi 06:28
- Mild Maniac 07:14
- Schnellhörspiel 07:00
- Prinz Eisenherz 07:43
- Definitely Suspicious 05:00
- Missing Link 11:03
Total: 61:16